Politisches Lernen > Medien
Der von 1946 bis 1972 in West-Berlin erscheinende "Telegraf" war nach dem Untergang des NS-Regimes mit Abstand für mehrere Jahre die mit Abstand auflagenstärkste Berliner Tageszeitung. Sie befand sich indirekt im Besitz der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und wurde von Arno Scholz (1904 - 1971) geleitet. Zu den Lizenzträgern der Zeitung gehörten Annedore Leber (1904 - 1968), die Witwe des Widerstandskämpfers Julius Leber, und der frühere Reichstagspräsident Paul Löbe (1875 - 1967).
Zum "Telegraf" gehörte auch der "Arani"-Verlag, der eine Vielzahl an Büchern veröffentlichte. Die Zentrale des Unternehmens befand sich in Berlin-Grunewald. Durch die Konkurrenz mit dem bürgerlichen "Tagesspiegel" und der rasch wachsenden Springer-Presse ("BZ", "Berliner Morgenpost", "Bild") verlor der "Telegraf bereits in den 1950er Jahren an Bedeutung und machte - von der Öffentlichkeit unbemerkt - enorme Verluste. Nach dem Bau der Mauer (1961) und dem Verlust der Leser aus dem Ostteil der Stadt wurden die wirtschaftlichen Schwierigkeiten unüberwindlich.
In der Zeit vor 1961 gab der "Telegraf" neben Tarnschriften (z.B.: Erfahrungen und Hinweise für die Schädlingsbekämpfung in Stadt und Land) auch kleinformatige Zeitungen und politische Flugblätter heraus, die sich ausschließlich an Leser aus der DDR richtete. In seiner politischen Berichterstattung verstand sich der "Telegraf" stets als Sprachrohr der SPD. Chefredakteur Arno Scholz stand in enger Verbindung mit dem Parteivorstand in Bonn und sorgte dafür, dass erhebliche Beträge an die Partei überwiesen wurden.