Stefan Appelius


Direkt zum Seiteninhalt

Friedrich Ebert und der Magistrat von Großberlin

Uni Potsdam > DDR

Der eingesetzte Ostmagistrat
Von Arno Scholz

Im Dezember 1948 setzte die Sowjetische Besatzungsmacht in Ostberlin den "Magistrat von Großberlin" ein. An der Spitze dieser Behörde stand viele Jahre Friedrich Ebert. Der Sohn des früheren Reichspräsidenten sei ursprünglich sogar als erster Präsident der DDR vorgesehen gewesen, erinnert sich der langjährige Herausgeber des Berliner "Telegraf", Arno Scholz*:

"Man räumte den vier Parteien im Ostsektor [Berlins] Mandate ein, aber um von vornherein zu einer kommunistischen Mehrheit zu kommen, durften auch der freie Deutsche Gewerkschaftsbund, die Freie Deutsche Jugend und die Vereinigung der Verfolgten des Nationalsozialismus einige Abgeordnete stellen. Diese 'Volksvertreter' wurden einfach ernannt. Die Kommunisten wagten nicht, die Ostberliner wählen zu lassen. Das kam erst später, als die volksdemokratischen Einrichtungen sorgfälig vorbereitet waren.

Zur 'Wahl' stand dann nur noch eine Einheitsliste, auf der nicht einmal - wie wenigstens in Polen und der Tschechoslowakei - einzelne Kandidaten gestrichen werden konnten. Die SED ließ sogar die Meldung verbreiten, es sei geradezu undemokratisch, die Wahlurnen zu benutzen, um wirklich frei und geheim abzustimmen.

Im Jahre 1948 war man aber noch nicht soweit, darum wurde zunächst einmal ein Magistrat und ein Parlament eingesetzt. Fritz Ebert, der Sohn des ersten Reichspräsidenten, der sich mit Otto Grotewohl ziemlich charakterlos in die 'Einheitspartei' gerettet hatte, durfte den Magistrat bilden. Ebert kannte ich gut aus der gemeinsamen Arbeit im Reichsbanner. Auch während der Nazizeit habe ich mich oft mit ihm in Berlin getroffen. Er hatte damals die verwegene Idee, ob wir nicht gemeinsam ein kleines Baugeschäft betreiben sollten. Fritz Ebert hatte sich in der Nazizeit tapfer benommen und wiederholte Verfolgungen und Konzentrationslagerhaft standhaft ertragen.
Nach 1945 wurde er zunächst Sekretär der Brandenburger SPD-Organisation. Die Sowjets drangen darauf, dass das Büro von Berlin nach Potsdam verlegt werde. Dort hatten sie ihn besser unter Kontrolle., konnten ihn mit Lebensmitteln, vor allem mit Alkohol, versorgen und dirigieren.
Offensichtlich kam es den Sowjets darauf an, den hochgeachteten Namen des ersten Reichspräsidenten für ihre Zweicke zu verwenden. Unmittelbar nachdem sein Sohn an die Spitze des Ostmagistrats befohlen wurde, schrieb ich im 'Telegraf': '... Nicht er wurde auf das Podium gestellt, sondern der Name Ebert - um im In- und Auslande mehr aus dieser Komödie machen zu können. Die Worte, die er sprach, nachdem er in diesem Marionettenspiel 'ernannt' worden war, haben den Sohn sofort ins richtige Licht gerückt. Soviel Heuchelei in so kurzen Worten hat es wohl selten gegeben. (...) Friedrich Ebert junior hat keine Größe, sonst wüßte er schon heute, dass ihn eines Tages Befehle erreichen werden, die einem aufrichtigen Manne daselbst abnötigen müssen, wie Jan Masaryk, der auch erst geglaubt hatte, man könne mit dem Kommunismus paktieren. (...) Die Marionetten, die gestern zum Bürgermeister oder Stadtrat für den Ostsektor [Berlins] berufen wurden, wissen ja wohl selbst, dass sie nur bleiben, solange sie willfährige Diener sind und es die Kommunisten für richtig befinden, sich im Hintergrund zu halten.'
Fritz Ebert war zu dieser Zeit bereits ein willfähriges Werkzeug der Sowjets geworden. Wenige Tage nach seiner Einsetzung ließ er sich einen Befehl geben, mit dem er im Sowjetsektor alle Wahlvorbereitungen verhindern konnte, so dass dann auch am 5. Dezember 1948 nur in den Westsektoren die zweiten freien Wahlen in Berlin durchgeführt werden konnten."

Auszug aus: Arno Scholz, nullvier - Ein Jahrgang zwischen den Fronten, arani-Verlag, Berlin 1962, S. 466 f

Der Journalist Arno Scholz, etwa 1948

Der Journalist und Sozialdemokrat Arno Scholz (1904 - 1971) ist mehr als dreißig Jahre nach seinem Tod weitgehend in Vergessenheit geraten. Der Herausgeber der einst größten Berliner Tageszeitung, "Telegraf", war ein wachsamer Beobachter der Gründerjahre der Bundesrepublik und überzeugter Gegner des SED-Regimes. Jahrelang wurde eine auf Dünndruckpapier in Miniatur-Format hergestellte "Wochenspiegel"-Ausgabe des "Telegraf" in einer Auflage von etwa 20.000 Exemplaren illegal in der DDR verbreitet: "Soviel Vorsicht auch geübt wurde, so gelang es dem sowjetzonalen Staatssicherheitsdienst immer wieder, den einen oder anderen Verteiler des Wochenspiegel zu fassen. Alles, was die sowjetischen und sowjetzonalen Dienststellen gegen uns unternahmen, stachelte uns nur dazu an, unser Verteilernetz noch dichter zu ziehen. Denn die Meinungsfreiheit stand den Mitarbeitern höher als ihr persönliches Schicksal."

Home | Kontakt | Universität Oldenburg | Universität Potsdam | Politisches Lernen | Sitemap


Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü