Stefan Appelius


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Paul von Schoenaich

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Der Friedensgeneral
Paul Freiherr von Schoenaich - Demokrat und Pazifist in der Weimarer Republik

Von Stefan Appelius

Ein preußischer General aus altem ostelbischen Adel, der in der Weimarer Republik weit über die Grenzen Deutschlands hinaus zum Symbol liberaler und pazifistischer Gesinnung wurde, dessen Persönlichkeit in der Reihe herausragender Männer und Frauen in der mehr als einhundertjährigen Geschichte der Friedensbewegung in Deutschland zählt - in der Person Paul von Schoenaich - dominiert die Kontinuität humanistischen Denkens, auch wenn militärisches und nachmilitärisches Leben kaum krasser divergieren könnten.

Paul von Schoenaich wurde am 16. Februar 1866 als sechstes und jüngstes Kind seiner Eltern in Westpreußen geboren. Den liberal gesonnenen Vater, Eduard Freiherr von Hoverbeck genannt von Schoenaich verlor er bereits im Alter von 14 Jahren, fünf Jahre später starb auch seine orthodox-religiöse Mutter, eine geborene Freiin von Buddenbrock. Nach dem Besuch der Kadettenanstalt trat Paul von Schoenaich im Frühjahr 1883 als Seekadett in die Kaiserliche Marine ein, um See-Offizier zu werden. Es war die Reiselust, die ihm zu diesem Entschluss verhalf. Bereits nach vier Jahren trennte sich Schoenaich, inzwischen Leutnant zur See, wieder von der Kaiserlichen Marine. An Bord der "SMS Oldenburg" begegnete er erstmals den Schrecken des preußisch-deutschen Militarismus in Form eines dienstlich unfähigen und menschlich üblen Kommandanten, von dem es in Schoenaichs Lebenserinnerungen in vornehmer Zurückhaltung heißt, diesen habe eine "persönliche Unausstehlichkeit" ausgezeichnet, die er zeitlebens nicht mehr erlebte.

Schoenaich quittierte den Dienst in der Kaiserlichen Marine und wurde - wir schreiben das Jahr 1888 - Offizier im 2. Garde-Dragoner-Regiment "Kaiserin Alexandra von Rußland" in Berlin. In Schoenaichs Erinnerungen heißt es: " Ich glaube sagen zu können, dass wir Gardekavallerieoffiziere ein Leben führten wie kaum ein anderer Stand auf der ganzen Erde. Der Dienst wurde sehr ernst genommen, aber schließlich dauerte er nur fünf bis sechs Stunden täglich. Der ganze übrige Tag gehörte dem Vergnügen in allen Abstufungen."

Doch Schoenaich unterschied sich in mancher Hinsicht von seinen Offiziers-Kameraden. Alkoholische Exzesse lagen ihm ebenso wenig wie das beim preußischen Offiziers-Korps übliche Schinden der "gewöhnlichen" Soldaten. Es sollte fast zwanzig Jahre dauern, bis der überdurchschnittlich tüchtige Major unter vorzeitiger Beförderung ins Preußische Kriegsministerium versetzt wurde, wo er als Referent in der Kavallerie-Abteilung mit der vollständigen Neugestaltung des Veterinärwesens der Armee betraut war. Nach Ablauf seiner turnusgemäß fünfjährigen Referenten-Dienstzeit als Major beim Stabe des Dragoner-Regiments Nr. 18 in Mecklenburg wurde Schoenaich 1913 bei gleichzeitiger Beförderung zum Oberstleutnant Kommandeur des in Wandsbek stationierten Husaren-Regiments Nr. 15 " Königin Wilhelmina der Niederlande".

Einige Wochen vor Kriegsausbruch im Sommer 1914 erhielt er eine dringliche Nachricht aus dem preußischen Kriegsministerium. Hören wir Auszüge des Berichtes seines Sohnes Baron Stephan von Schoenaich: "Es wurde ihm eröffnet, er müsse sofort das Kommando über das Husarenregiment abgeben und nach Berlin ins Kriegsministerium zurückkehren, um dort die polötzlich vakant gewordene Leitung der sogenannten Remonte-Inspektion zu übernehmen. Die Remonte-Inspektion war ein Anhängsel des Kriegsministeriums und die Dienststelle, die die Armee mit Pferde-Nachwuchs versorgte."

Den Kriegsausbruch erlebte er, wie es in seinen Erinnerungen freimütig heißt, wie die meisten anderen preußischen Offiziere "voll allergrößtem Hurra-Patriotismus". Als Berufsoffizier beantragte er deshalb seine sofortige Versetzung zur kämpfenden Truppe. Als Kommandeur des im Elsaß stationierten Dragoner-Regiments Nr. 14, das einige Monate später an die Ostfront verlegt wurde, erlebte Schoenaich die ersten Monate des Krieges. Als er im Sommer 1915 seinen ersten Heimaturlaub in Berlin verbrachte, holten ihn seine früheren Vorgesetzten mit sofortiger Wirkung als Chef der Kavallerie-Abteilung ins Preußische Kriegsministerium.

Bis zum Sommer 1918 glaubte Schoenaich noch fest an einen deutschen Sieg. Es waren die Novemberrevolution 1918 und die Flucht des Kaisers, die den altgedienten Offizier erschütterten. Schoenaichs monarchistisches Weltbild zerbrach. Die Flucht des Monarchen ließ Schoenaich vom ersten Tage nach Waffenstillstand keinen Augenblick daran zweifeln, dass die alten Gewalten und Staatsformen restlos verschwinden müssten. Im April 1920 schied er auf Veranlassung des reaktionären Generals von Lüttwitz, hochdekoriert mit zahlreichen in- und ausländischen Orden und Tapferkeitsauszeichnungen aus dem aktiven Militärdienst aus. In Schoenaichs Erinnerungen heißt es, 37 schöne Jahre seien zuende gegangen. Man könnte meinen, das weitere Leben dieses mittlerweile 54jährigen militärischen Vorruheständlers, der immer wieder mit seinen liberalen Ideen und humanen Umgangsformen aufgefallen war, würde nun nichts bemerkenswertes mehr aufweisen. Doch das Gegenteil ist der Fall.

Schon sehr bald nach Kriegsende sollte Paul von Schoenaich zu einem der bedeutendsten Pazidisten der Weimarer Republik werden. Der nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst zum Generalmajor beförderte Schoenaich wurde bereits wenige Wochen nach der Novemberrevolution Mitglied der linksliberalen "Deutschen Demokratischen Partei" (DDP) und wenig später auch Mitglied der 1892 durch die Baronin Bertha von Suttner begründeten Deutschen Friedensgesellschaft. Von seinen Standesgenossen aus dem Offizierskorps als Gesinnungslump und Nestbeschmutzer denunziert ging Schoenaich in die Offensive, da es zur "hohen Mode" wurde, dass ihn seine alten Kameraden öffentlich "anpöbelten": "Ich stehe auf dem Standpunkte, dass derjenige, der in Zeiten großer Umwälzungen seine früheren Ansichten nicht nachprüft, töricht ist, und derjenige, der bei Nachprüfung erkennt, dass er sich früher geirrt hat, das aber nicht einzugestehen wagt, feige."

Doch kommen wir noch einmal zurück in das Jahr 1919. Am Tage nach der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg berichtete ihm ein Kamerad im Kriegsministerium freudestrahlend, "die beiden Schufte" seien "abgemurkst worden", worauf Schoenaich entgegnete: "Na, Gott sei Dank, dann wird wohl endlich Ruhe werden." Vom Pazifismus wusste er noch überhaupt nichts. In ihm sprach nach eigenem Bekunden nur der einfache, gesunde Menschenverstand: "Zum Durchschnittsdasein des grollend verabschiedeten Offiziers fühlte ich keine Neigung. Wenn ich nicht mehr am Aufbau des Heeres mitwirken konnte, so wollte ich wenigstens am Aufbau meines gestrauchelten Vaterlandes mitarbeiten, solange meine Kräfte reichten."

Es war der im Westfälischen lebende Fritz Küster, neben Schoenaich einer der bedeutendsten Pazifisten der Weimarer Republik, der den General 1922 an die Ideen der organisierten Friedensbewegung heranführte. Küster, damals Vorsitzender der Südwestfälischen Arbeitsgemeinschaft der Friedensgesellschaft, bekämpfte die Reichswehr als Kern des preußisch-deutschen Militarismus.

Politisch legte Schoenaich bereits ein Jahr später, 1923, in seinem Buch "Abrüstung der Köpfe" einen Weg zum inneren und äußeren Frieden in Deutschland vor. Schoenaich sprach sich darin gegen die Dolchstoßlegende, gegen Antisemitismus und für eine Synthese aus Marxismus und Kapitalismus - im Sinne der Bodenreformer - aus. Wirtschaftspolitisch war Schoenaich ein Anhänger der Lehre Silvio Gesells und forderte die Abschaffung der Goldwährung, um soziale Mißstände zu bekämpfen. Die dahinter stehende Überzeugung Schoenaichs, die "Zinsknechtschaft" sei durch Abschaffung der Goldwährung und Einführung von Schwundgeld zu beheben, zieht sich durch seine friedenspolitischen Artikel und Referate. Für seinen Weggefährten Fritz Küster lag hierin eine der wenigen ständigen Kontroversen mit dem Friedensgeneral, wie Schoenaich landauf landab genannt wurde, begründet.

Flugzeuge und Giftgas hielt Schoenaich für die Hauptwaffen der Zukunft und ging bereits Mitte der 20er Jahre davon aus, dass die Friedensbewegung zur Abwehr zukünftiger Kriege neben der geistigen Aufklärung der Bevölkerung über die möglichen Folgen eines Krieges passiven Widerstand leisten müsse, über dessen Erfolgsaussichten er angesichts der engen Verbindung zwischen militärischen und wirtschaftlichen Interessen allerdings zurückhaltend urteilte. Für zentral hielt Schoenaich auch die Rolle der veröffentlichten Meinung: "Die Kriegsfreunde kalkulieren die Kosten der Presse einfach in die Kosten der Anfertigung von Kriegsmaterial ein. Sie wissen, dass man 'öffentliche Meinung' genauso fabrizieren kann, wie Schmierseife oder Stabeisen. Mit dieser Methode fälschen sie auch ihren Verteidigungskrieg um, und die Massen, die ihnen folgen, wissen nicht, dass sie mit ihrem Blut jenen die Taschen füllen." - Eine Einschätzung, die - wie der Golfkrieg zeigt - an Aktualität bis heute nichts verloren hat.

Als Mitte der 20er Jahre eine 10-Pfennig-Briefmarke mit dem preußischen König Friedrich II, dem "Götzenbild aller Monarchisten und Kriegsfreunde" erschien, protestierte Schoenaich erfolglos bei Reichspostminister Stingel. Die Redaktion der von Küster herausgegebenen pazifistischen Wochenzeitung "Das Andere Deutschland", zu deren emsigsten Mitarbeitern Schoenaich zählte, lehnte die Annahme von mit der Fridericus-Rex-Marke frankierten Briefen ab.

In mehreren tausend Veranstaltungen, oft vor vielen hundert Zuhörern, war Schoenaich überall in Deutschland für die Friedensgesellschaft und warnte vor den drohenden Gefahren für die junge Republik. "Hakenkreuz und Stahlhelm sind Deutschlands Untergang" hieß es auf den Plakaten der Pazifisten. Angesichts dieser Aktivitäten sah sich die Friedensgesellschaft in der Weimarer Republik heftigen Angriffen von Seiten des nationalistischen Lagers ausgesetzt. Dabei tat sich besonders der junge Journalist Walther Korodi hervor, ein ehemaliger Freikorps-Soldat, der auf der Basis einer umfangreichen Zitatensammlung aus der pazifistischen Presse heftige Angriffe gegen Friedensgesellschaft und Liga für Menschenrechte, die er des Landesverrats bezichtigte, führte. Vor allem in der "Berliner Börsen-Zeitung" und auf Stahlhelm-Versammlungen polemisierte Korodi gleichermaßen gegen Friedensbewegung wie Reichsbanner, wich öffentlichen Diskussionen mit Schoenaich oder Küster jedoch aus: Er wollte mit keinem diskutieren, für den "Landesverrat keine Schande mehr sondern Ehrenpflicht ist" ließ er sie wissen.

Im Februar 1928 erklärte Paul von Schoenaich seinen Austritt aus der DDP, nachdem es innerhalb der Partei heftige Kritik an seinem Engagement für den Pazifismus gegeben hatte. 1924 war Schoenaich als DDP-Reichstagskandidat im Wahlkreis Mecklenburg gescheitert. Als sich die Parteileitung deutlich auf die Seite der Schoenaich-Kritiker stellte, trennte sich Schoenaich von der DDP: "Der Pazifismus ist aus dem Zustand der Ideen in den der praktischen Durchführung getreten. Die praktische Durchführung ist nur im schärfsten Kampf gegen jede Art von wehrhaftem Nationalismus möglich. Wer in diesem Kampf auch nur eine Minute Angst hat vor den moralischen Giftvorwürfen der nationalistischen Gegner, der wird erst erwachen, wenn ihn die chemischen Giftschwaden eines besseren belehren."

Tatsächlich wandte sich die DDP schon frühzeitig von ihren pazisfistenfreundlichen Gründungspositionen ab, was die meisten Pazifisten zum Austritt aus dieser Partei bewog. Nachdem die DDP 1930 mit dem latent antisemitischen Jungdeutschen Orden zur Staatspartei fusionierte, gehörten der Partei nahezu keine exponierten Pazifisten mehr an. Eine linksliberale Neugründung, die 1930 unter dem Namen "Radikaldemokratische Partei" entstand und als erste Parteiorganisation der Weimarer Republik streng pazifistische Grundsätze in ihr Programm aufnahm, blieb trotz der Beteiligung Ludwig Quiddes ohne Bedeutung.

Nach der Wahl von Paul von Schoenaich zum Präsidenten der DFG im Februar 1929 war der friedenspolitische Kurs der Gruppe um Schoenaich und Küster zur verbindlichen Grundlage der Politik der Friedensorganisation geworden, die Mitgliederbasis der DFG teilte diese Vorstellungen mit großer Mehrheit. Mit dem Wahlsieg der Gruppe um Schoenaich und Küster, deren erklärtes Ziel es war, das "elitäre Sektierertum des Pazifismus" zu überwinden, ging allerdings der Rückzug der gemäßigten Gruppierungen um Ludwig Quidde, eines Teiles der Sozialdemokraten und der Vertreter des revolutionären Pazifismus einher.

Wolfgang Benz spricht von einem Konflikt zwischen "Aktionismus und Betulichkeit", doch wird er der grundlegenden Veränderung innerhalb der Friedensgesellschaft nur teilweise gerecht. Das demokratische "Kölner Tageblatt" kommentierte am 21. Februar 1929 den Wechsel im DFG-Bundesvorstand differenzierter und damit treffender: "Wer tiefer blickt und die Zusammenhänge zu überschauen vermag, der wird auch hier Triebkräfte wirksam sehen, die von der Politik, dem Parteienwesen, der parlamentarischen Misere wegstreben. Die Westdeutschen unter Schoenaich haben den politischen Markthandel satt. Sie wollen Unbedingtes, ohne Preisgabe ihrer Überzeugung. Hinter ihrem aktiven, parteiskeptischen Pazifismus stehen Tausende, stehen wesentliche Teile der Kriegsgeneration und der Jugend, was nicht zu vergessen ist."

Tarsächlich aber entsprach es nicht den Vorstellungen der Schoenaich-Gruppe, die Zusammenarbeit der DFG mit den politischen Parteien zu beenden. Schoenaich wusste ganz genau, dass die Friedensgesellschaft ohne die Mithilfe der Linksparteien nicht lebensfähig war. Es fiel ihm deshalb auch nicht ein, gegen diese Parteien als solche zu kämpfen. Wohl aber wollte er seine Gesinnungsfreunde dazu bringen, innerhalb ihrer Parteien für ihre Ideen zu kämpfen. Und so wandte er sich an Reichskanzler Hermann Müller und forderte diesen auf, die Reichsregierung möge auf dem Wege der Abrüstung vorangehen; Fragen der Abrüstung gehörten aus dem Dunkel der Beratungszimmer an das Licht der breiten Öffentlichkeit.

Die gemeinsame Kampffront zwischen Pazifisten und republikanischen Parteien, womit in erster Linie SPD und DDP gemeint waren, sollte solange bestehen, als den gemeinsamen Ideen kein Schaden durch Parteidisziplin entstehen durfte. Erst in diesem Falle proklamierte Schoenaich Kampf, und zwar auch innerhalb der republikanischen Parteien. Die Friedensgesellschaft wurde von einer Gesinnungsgemeinschaft zu einer Kampfgemeinschaft. Das weitgehende Versagen der republikanischen Parteien in der Schlußphase der Weimarer Republik, das mit der Entscheidung für den Bau eines deutschen Panzerkreuzers 1929 begann, wurde auch für Schoenaich offenkundig. Schon bald aber musste er feststellen, dass der Sozialdemokrat Müller "in strittigen Fragen immer nach rechts umfällt und niemals in Richtung der Wünsche seiner eigenen Wähler durchhält."

Im Sommer 1931 wurde der Bruch zwischen der Friedensgesellschaft und den republikanischen Parteien endgültig zementiert. SPD und Staatspartei verabschiedeten Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegen die aufsässige Friedensgesellschaft. Es wurde offenkundig, dass nicht nur die Arbeiterbewegung sondern auch das republikanische Lager derart zerstritten war, dass die Abwehr der Nazis zur Nebensache wurde.

Im März 1932 wandte sich Paul von Schoenaich in einem Brief an Reichskanzler Brüning, um diesem mitzuteilen, dass er sich dessen "baldiges Verschwinden aus dem Kanzlerpalast" wünsche. Spätere deutsche Leser würden die Seiten der Geschichte, in denen von Brüning die Rede sei, "nur schaudernd umblättern": "Alle Ihre großen außenpolitischen Aktionen haben zu immer weiterer Isolierung Deutschlands geführt. Die Radikalisierung und Vergiftung unseres Parteilebens fallen in Ihre Kanzlerzeit."

Die Nationalsozialisten, die seit der Reichstagswahl 1930 ein unübersehbarer Faktor geworden waren, wollte Schoenaich durch die Beseitigung der wirtschaftlichen Not, durch neue und bessere Führer der Parteien und durch ein Abdrosseln der nationalsozialistischen Hilfsgelder aus der Großindustrie bekämpfen.

Die zunehmende Verschärfung der politischen Lage in Deutschland führte zu zahlreichen Mobilisierungsversuchen der Friedensgesellschaft an die Adresse ihrer Mitglieder. Im Mai 1932 heißt es in einem von Schoenaich und Küster unterzeichneten Aufruf "An die aktive Mitgliedschaft!", die Verhältnisse in Deutschland entsprächen einer Militärdiktatur, der Kampf zwischen Generalität und Hitler habe nurmehr die Machtverteilung zum Inhalt. Unter erklärter Beibehaltung der kompromißlosen Linie wird die Fortsetzung des kämpferischen Pazifismus proklamiert, "gegen die Katastrophenpolitik aller Schattierungen, für die einzig mögliche Politik: Verständigung mit Frankreich."

Als Reaktion darauf versuchten die Deutschnationalen (immer in Verbindung mit dem - gerichtlich widerlegten - Hinweis aus eine angeblich französische Finanzierung der DFG) ein Verbot der Friedensorganisation zu erwirken.In einer vom früheren Reichswehrgeneral von Stülpnagel zu verantwortenden Denkschrift an die Regierung Papen wurde das Verbot von Friedensgesellschaft und "Das Andere Deutschland" sowie eine Landesverratsanklage gegen Küster und Schoenaich gefordert. Ein Verbot der Friedensgesellschaft erging jedoch noch nicht. Wie verhaßt Schoenaich bei den Nazis war, mag auch daraus ersichtlich werden, dass der NS-Ideologe Alfred Rosenberg in seinem erstmals 1927 erschienenen Buch "Novemberköpfe" Paul von Schoenaich ein Kapitel widmete, was dem General heute zur besonderen Ehre gereicht.

Anläßlich der Reichstagswahl im Juli 1932 wandte sich Schoenaich in einem gemeinsam mit Albert Einstein, Käthe Kollwitz, Heinrich Mann, Erich Kästner und Arnold Zweig unterzeichneten "Dringenden Appell" an die Führung von KPD und SPD und forderte diese zum "Aufbau einer einheitlichen Arbeiterfront" gegen den drohenden Faschismus auf. Als ersten Schritt sollten beide Parteien im Reichstagswahlkampf gemeinsam antreten, möglichst in Form gemeinsamer Kandidatenlisten. Doch zu einer Annäherung der beiden zerstrittenen Arbeiterparteien kam es bekanntlich nicht.

Der Kampf der Friedensgesellschaft gegen Stahlhelm und Hakenkreuz ging verloren. Die Deutsche Friedensgesellschaft wurde im März 1933 ebenso wie der Bund der Kriegsdienstgegner verboten, Schoenaich und Küster wegen des Verdachts des "Hoch- und Landesverrats" verhaftet. In Schoenaichs Erinnerungen heißt es: "Am 14. März 1933 fuhr meine Frau für einige Tage nach Hamburg. Ich selbst hatte mich gerade zur Nachmittagsruhe niedergelegt, als zwei Landjäger zu meiner Verhaftung erschienen."

Die Verhaftung war aus Berlin befohlen worden. Schoenaich erwog zunächst, Widerstand zu leisten, nötigenfalls Selbstmord. Schließlich entschied er sich - eingekerkert im Reinfelder Obdachlosenasyl - für einen Hungerstreik. Im Altonaer musste er dann zehn Wochen verbringen, bevor er - nach Protesten englischer Quäker - seine Freiheit unter strengen Auflagen zurückerhielt.

Während der NS-Diktatur führte Schoenaich ein geheimes Tagebuch, dass die Nationalsozialisten trotz mehrerer Haussuchungen nicht entdeckten. Er hatte die Manuskripte in leere Weinflaschen gesteckt und zugekorkt. Diese Flaschen verteilte Schoenaich in seinem Weinkeller zwischen echten Weinflaschen. Obwohl auch Schoenaichs Weinkeller insgesamt fünfmal durchsucht wurde, entdeckten die Nazis das Versteck nicht.

Formen versteckten Widerstandes gegen die Nazis gab es auf vielfältige Art. Hätte die Postzensur der Nazis die Ironie in Schoenaichs Briefwechsel mit Fritz Küster während der letzten Kriegsmonate erkannt, - es hätte den General das Leben kosten können. In einem einige Tage nach Beginn der alliierten Invasion im Sommer 1944 verfassten Brief Schoenaichs an Küster heißt es zum Beispiel: "Jedenfalls freue ich mich, dass der Führer nach all den Tagen der Sorge wieder ruhig schlafen kann. Ich selbst fühle mich bei alledem so frisch, dass ich heute über drei Stunden im Heu gearbeitet habe. Wenn Sie zum Einzug unserer siegreichen Truppen nach Berlin fahren, kommen Sie bitte durch Reinfeld, damit wir eine Flasche Sekt darauf leeren können. In solcher Hochstimmung wird mir auch der Anblick des Berliner Trümmerhaufens nicht gar zu sehr zu Herzen gehen, zumal der Führer ja versprochen hat, alles innerhalb von drei Jahren wieder weit schöner aufzubauen. Und nun ein herzliches Sieg Heil von Ihrem getreuen alten Freund Schoenaich."

Das Bekanntwerden der Nachricht, dass Schoenaich kurz nach Kriegsende Mitglied der CDU wurde, stieß in der neu entstandenen Friedensgesellschaft auf Zurückhaltung. Der liberale Hamburger Kaufmann Max Stierwaldt bemerkte, der Entschluss Schoenaichs habe "nicht gerade helle Begeisterung" ausgelöst. Bereits nach einigen Monaten trat Schoenaich wieder aus der CDU aus und blieb parteilos. Wie Eugen Kogon, Walter Dirks und Wilhelm Elfes war auch Schoenaich davon ausgegangen, die Partei sei eine Neugründung des demokratischen, reformorientierten Bürgertums. Als der starke Einfluss deutschnationaler und nationalliberaler Strömungen aus DNVP und DVP neben dem durch Adenauer repräsentierten rheinischen Katholizismus den restaurativen Charakter der Neugründung erkennen ließ, trennte sich Schoenaich von der Partei.

Im Sommer 1947 sorgte ein Aufsatz Schoenaichs in der "Neuen Weltbühne" für schwere Angriffe gegen die Friedensgesellschaft. Schoenaich schrieb: "Das deutsche Volk verbüsst heute nach schweren Verbrechen seine wohlverdiente Zuchthausstrafe." Der General vertrat die Ansicht, 99,9% der Deutschen hätten das verbrecherische NS-Regime in welcher Form auch immer unterstützt: "Ich selbst nehme mich nicht aus, denn ich habe an die damalige Regierung Steuern gezahlt und zu allen Sammlungen beigesteuert. Dass ich das aus reinem Egoismus getan habe, damit die Nazis mich in Ruhe ließen, ist belanglos."

Der spätere niedersächsische Ministerpräsident Georg Diederichs (SPD) griff Schoenaich daraufhin in der Oldenburger "Nord-West-Zeitung" scharf an. Die Anerkennung der Kollektivschuld wäre gleichbedeutend mit dem Bekenntnis zur Erbsünde. Schoenaich reagierte auf die Angriffe gegen seine Person beunruhigt: "Als ich den Artikel 'Kollektivschuld' an die Weltbühne schickte, ahnte ich nicht, welches Aufsehen er machen würde. Die verschiedenen Pöbelartikel habe ich alle erhalten und sie auch beantwortet, soweit es mir nötig erschien."

Schoenaich vertrat bestärkt von diesen Angriffen bereits in den ersten Nachkriegsjahren die Auffassung, der Einfluss früherer Militärs in Deutschland sein ungebrochen: "Die Militaristen sind heute springlebendig und ihre Arbeit hinter den Kulissen ist vielleicht noch gefährlicher als früher, weil man sie schwerer fassen kann."

1951, Paul von Schoenaich stand im 85. Lebensjahr, wurde die Bundesrepublik vom Streit um die Remilitarisierung erschüttert. Zwei Jahre zuvor hatten sich auch in Westdeutschland unter der Regie der KPD "Komitees der Kämpfer für den Frieden" gebildet, von denen nun die Gründung eines "Hauptausschuss für Volksbefragung gegen Remilitarisierung" ausging. Während unabhängige Friedensorganisationen, wie die Deutsche Friedensgesellschaft angesichts der offensichtlichen Einseitigkeit die Volksbefragung ablehnten, unterzeichnete Paul von Schoenaich deren Aufruf und wurde von den Kommunisten auf Werbezetteln und als Erstunterzeichner des Aufrufes als besonderer Beweis für die angebliche Unabhängigkeit ihres Vorhabens mißbraucht. Auf farbigen Werbezetteln mit dem Portrait Schoenaichs hieß es: "Aus persönlicher Überzeugung bin ich Gegner der Remilitarisierung. Die Erhaltung des Friedens kann keine Sache von Rechts oder Links sein - sie geht jeden Deutschen an. Wenn die Bundesregierung die Absicht hat, wieder aufzurüsten, dann sollte sie vorher das Volk fragen."

Der DFG-Bundesvorstand reagierte äußerst gereizt auf die Pressemitteilung, ihr Präsident Paul von Schoenaich habe den Aufruf des "Hauptausschusses" unterzeichnet. Schoenaichs Unterschrift wurde vor allem von der der KPD nahestehenden Presse herausgehoben mitgeteilt, was dem auf Unabhängigkeit bedachten DFG-Bundesvorstand sehr unangenehm war. In einem Schreiben an Schoenaich hieß es deshalb überdeutlich: "Dies muss nun zu einer Konsequenz führen. Entweder müssen Sie die Präsidentschaft in der DFG niederlegen, oder die Unterzeichnung des Aufrufes zurückziehen."

Schoenaich hatte die Tragweite seiner Unterschrift unterschätzt. Das wollte er allerdings nicht zugeben und lehnte es deshalb ab, eine Konsequenz zu ziehen. Das führte schließlich dazu, dass er im Sommer 1951 auf der Hamburger Bundestagung der DFG abgewählt wurde. Vor den Delegierten ging Schoenaich noch einmal in die Offensive und erklärte: "Die Russen sind für die Abrüstung, die amerikanische Rüstungsindustrie aber will den Krieg, um daran zu verdienen. Wenn ich meinen Standpunkt klar ausdrücken soll, dann sage ich, dass ich Stalin näher stehe als Adenauer."

Am Ende seines Lebens hatte der Friedensgeneral ganz offenbar die politische Orientierung verloren. Er starb am 7. Januar 1954, wenige Monate nachdem Bundeskanzler Konrad Adenauer in der Bundestagswahl mit klarer Mehrheit in seinem Amt bestätigt worden war.

Gekürzte und leicht überarbeitete Fassung eines Vortrags anläßlich des 125. Geburtstages von Paul von Schoenaich im Mai 1991 in Reinfeld (Holstein).

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